Endometriose – 7 Jahre normal bis zur Diagnose

Wie lange würdest du leiden, bevor jemand dir glaubt? Frag dich das mal. Ich habe mir diese Frage gestellt — öfter, als mir lieb ist.

Als mein Arzt (ein Professor, der 15 Jahre Oberarzt an einem Universitären Klinikum war und jahrelang Endometriose-Sprechstunden hielt) zu mir sagte: „Standardmäßig vergehen vom ersten Schmerz bis zur Diagnosestellung sechs bis sieben Jahre“, blieb mir das kurz den Atem weg. Sechs, sieben Jahre — allein die Zahl ist brutal. Studien bestätigen: die durchschnittliche Zeit bis zur Diagnose liegt in vielen Untersuchungen bei etwa sechs bis sieben Jahren. 

Das heißt: Jahre von Schmerzen, unnötigen Arztbesuchen, Fehldiagnosen, Unsicherheit — bis du endlich ein Wort für das hast, was mit dir passiert. In manchen Ländern dauert es sogar deutlich länger; nationale Studien zeigen Verzögerungen von über zehn Jahren in Teilen Europas. 

Vor der OP — das Leben in Wartezimmern und auf Schmerzmitteln

Mein Alltag vor der OP: planen, abwägen, hoffen, wieder planen. Ich habe gelernt, meinen Zyklus wie ein Kalender zu behandeln — nicht romantisch, sondern taktisch. Wann kommt das nächste Tief? Welcher Termin ist verschiebbar? Welche Show kann ich mir nicht leisten abzusagen? Schmerzmittel waren mein Reservekanister — helfen sie? Manchmal. Für einen Abend. Für einen Tag. Keine Heilung.

Du gehst zum Hausarzt, vielleicht zum Gyn, du erzählst von Krämpfen, von Übelkeit, Durchfall, Ohnmachtsgefühlen. Du wirst irgendwann mit „starken Periodenschmerzen“ (oder auch psychosomatischen Erklärungen) weggeschickt. Du gehst wieder. Du wartest auf Überweisung. Du wartest auf Bildgebung. Und du wartest auf die OP-Liste. Viele von uns stellen fest: wir reden öfter, werden seltener gehört. Das ist keine Einbildung. Umfrage-Befunde zeigen: Betroffene suchen mehrfach medizinische Hilfe, bevor eine Diagnose gestellt wird. 

Das patriarchale System — warum Frauen so lange leiden müssen

Wenn du tief denkst darüber nachdenkst, fällt ein Muster auf: Medizin war lange männlich gedacht — Studien an Männern, Leitlinien mit männlicher Norm im Hinterkopf, Schmerz, der bei Frauen anders beschrieben oder bagatellisiert wird. Forschungslücken, mangelnde Aufklärung in der Basisversorgung, zu wenige spezialisierte Zentren — all das steckt mit drin. Systemische Gründe, kulturelle Gründe, und ja: geschlechtsspezifische Vorurteile. Fachliteratur zur Sex- und Gender-Lücke in der Medizin zeigt genau dieses Problem. 

Kurz: Schmerz, der Frauen betrifft, wurde und wird eher mystifiziert oder kleingeredet statt ernst genommen. Und das kostet Zeit — und Lebensqualität.

Das Vorgespräch — als sich alles zuspitzte

Ich erinnere mich an das Vorgespräch: der Arzt hörte wirklich zu. Nicht nur das oberflächliche Abhaken. Er erklärte mir, dass es oft Jahre braucht, bis Endometriose nachgewiesen wird — weil die Symptome variieren, weil Bildgebung nicht immer alles zeigt, weil der sichere Nachweis häufig erst durch eine Operation (Laparoskopie) mit Gewebeentnahme möglich ist. Diese Offenheit war Befreiung und Angst zugleich: ja, es gibt Hoffnung auf Klarheit, aber die Reise dahin ist lang. Studien und Leitlinien bestätigen, dass eine operative Darstellung (Laparoskopie mit Biopsie) oft die definitive Diagnose liefert, auch wenn moderne Bildgebung mehr kann als früher. 

Die Entscheidung für die OP — Angst, Wut, Erleichterung

Operieren lassen oder weiter mit Hormonen und Schmerzmitteln fahren? Für viele ist die OP die Chance auf Abschneiden, Entfernen, Aufräumen. Jahrelang hatte man mir erzählt, dass es alles nicht so einfach wäre. Ich wurde immer wieder abgespeist. Und ein Mensch in weißem Kittel übertüncht meine Ansichten.

Ich habe mich nie unterstützt gefühlt

Deswegen dauerte es alles so viele Jahre. Es hieß ich solle keine weitere Operation machen, wegen den Risiken und meiner Vorgeschichte. Also bekam ich wieder Angst. Was soll ich also tun? Weiter Ibus und hoffen?! Was für eine scheiss „Therapie“ – nämlich gar keine.

Jetzt mit 39 Jahren, bin ich es nochmal angegangen. Ich mach es so, wie ich denke und kämpfe dafür. Und auf diesem Weg, erschienen mir gute Ärztinnen. Ich muss dazu sagen, es lief über nur wegen dem Kinderwunschzentrum. Vielleicht weil dort Geld im Spiel ist??? (Vorsicht! Vermutung.) Das Thema ist ein eigener Beitrag.

Von einem Spezialisten zum nächsten und Entscheidung treffen – OP-Termin vereinbaren und lets go. Ein Mix aus Erleichterung (endlich handeln) und Wut (warum hat das so lange gedauert?). Die OP-Erfahrung hängt extrem vom Operateur ab: Exzision (das rausschneiden) ist bei tiefen Läsionen oft besser als nur Abtragen/Verbrennen. (Zweiteres wurde 2008 gemacht und hat ja nicht viel gebracht.)

Und ja — die OP kann vieles besser machen: Schmerzen reduzieren, Fertilitätschancen verbessern, Lebensqualität zurückgeben. Aber sie ist kein Universalheilmittel. Endometriose kann wiederkommen; Nachbehandlung (hormonell, Schmerzmanagement, Ernährungsumstellung, Sport.) und ein gutes Follow-up sind wichtig. 

Zu meinem Operationserfahrungsbericht geht es hier.

Was sich ändern muss — ein kurzer Forderungskatalog

Ich bin nicht die Einzige, die das so erlebt hat. Wir brauchen:

  • Bessere Aus- und Weiterbildung für Hausärzt:innen und Gynäkolog:innen, damit Menstruationsschmerz nicht automatisch normalisiert wird.
  • Mehr Endometriose-Zentren und schnellere Terminvergabe — ein halbes Jahr auf einen Termin ist für viele ein echter Notfall. (Studien zeigen große nationale Unterschiede in Wartezeiten.)  
  • Forschung, die Frauen einschließt — und Forschung, die Beschwerden ernst nimmt statt zu pathologisieren.  
  • Anerkennung von Endometriose als chronische Erkrankung mit entsprechenden Versorgungsstrukturen.  

Abschieds-Ton: Du bist nicht allein

Wenn du das liest und dich erinnerst — an die Krämpfe, an die geschobenen Termine, an das Gefühl, du müsstest dich entschuldigen, weil du leidest: hör auf, dich zu entschuldigen. Hol dir Unterstützung, such dir Ärzt:innen, die zuhören. Wenn du kannst: forder Überweisung, dokumentiere deine Beschwerden, nimm eine Begleitung zu Terminen mit, frag nach Spezialzentren. Wir müssen lauter werden — nicht nur für uns, sondern für die Frauen, die nach uns kommen.

#letstalkaboutendometriose

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