Fotzenrap und Fotzentalk – der neue Feminismus

Kurz, knapp, empowered? – I bet. Doch was auf den ersten Blick wie Selbstermächtigung aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen oft als altes Storytelling in neuer Verpackung. Besonders im deutschen Gangster-Rap – feiern sich viele Künstlerinnen für eine Form von Feminismus, welcher auf Freiheit, Dominanz und sexueller Selbstbestimmung basiert. Aber wie authentisch ist diese Haltung wirklich, wenn sie sich vor allem über vulgäre Sprache des eigenen Körpers, sexuelle Verfügbarkeit und die Anpassung an gängige Schönheitsideale definiert? Mit Hop-Hop hat das für mich wenig zu tun.

Emanzipieren Männer den Wixer?

„Ich bin so ein Hurensohn, weil deine Mama mich besuchen kommt.“ oder: „Bin ein Hundesohn, Bastard von der Strada, meine Wixer tragen Bauchtasche von Prada“, oder „Wir sind die Lauchs aus dem Club- ficken dich mit kleinen Pimmeln wie von Lurchen durch.“ Ich weiß ja nicht, ob das die neuen Punchlines im maskulinen Gangstarap sind. Solche Texte hab ich jedenfalls noch nie gehört. 

Selbstermächtigung durch Sexualisierung und OF- Selbstbewusstsein

Die Shorts weit über der Pofalte, Nippel blitzen, Lippen aufgespritzt, twerk in die Kamera und laszive Blicke. Empowerment durch Sexualisierung – das ist das Konzept. Doch was bleibt davon übrig, wenn der Beat ausgeht und die Mädels unter Jungs in den eigenen vier Wänden sind? 

Ich hab mich umgeschaut… Auf Plattformen wie OnlyFans und mysugardaddy.de tummeln sich junge Mädchen, um dort, unabhängig Geld zu verdienen. Viele lassen sich verführen, denn das Aushängeschild „Selfmade Women“ ist anreizend.  Die Mechanismen sind sich ähnlich.

Also hab ich mir ein Profil gemacht. Und obwohl ich für pädophile Wixer nicht mehr interessant bin, bekam ich gleich zig Anfragen. Ziemlich spooky. Ich hätte mich gleich am ersten Tag mit jemandem Treffen können. Es ist so easy. Also habe ich mit Mädchen geredet und mit Jungs, die auf dieser Plattform angemeldet sind und schon erste Erfahrungen gemacht haben. Easy Money in kurzer Zeit. 

Aber was bleibt? 

Das Geld geht direkt für Shopping, neue Klamotten, eine Designertasche oder Beauty-Behandlung weg. Die paar Scheine sind schnell ausgegeben – und der Verdrängungsmechanismus funktioniert anfangs auch noch ganz gut, wenn die Luis Vitton echt ist. Aber was nachhaltig passiert ist ungewiss. Erinnerungen lassen sich selten auf Dauer damit abspeisen. Vielen hängt das irgendwann nach, oder sie stumpfen total ab. 

Deutschrap – Game on

Im Rapgame ist das gar nicht mal so anders. Während man mitspielt in einer Spielrunde, die bereits läuft, merkt man nicht, dass man keinen Einfluss auf die Regeln hat. Aber mitspielen ist alles, also anpassen. Das ist was teilweise im Kapi – Deutschrap passiert. 

Frauen verkaufen das Wort Fotze als Ausdruck von Bossbitch, es hört sich einfach krasser an und erregt Aufmerksamkeit. Es ist ein Wort, das im Rap gängig ist, somit wirkt es rappiger, fresh und frech. Wir nutzen es jetzt für uns, und nehmen es den Männern weg, weil wir es sagen dürfen und neu claimen.

Wir machen Fotze feministisch!

Kann ja jede für sich selbst entscheiden, aber ich finde die Taktik nicht sonderlich logisch. Erfinde doch lieber neue Wörter. Der Ursprungsgedanke ist von Männern und es lädt Männer ein, das gleiche Wort wieder zu verwenden und weiter zu nutzen. Und jetzt ist es ja auch bei Frauen angekommen. 

Ist das wirklich Selbstbestimmung?

Findest du, dass es eine revolutionärer Akt ist, indem Frauen ihren Körper und ihre Sexualität maximal vermarkten? Es ist ja okay, sich sexy zu kleiden und sich zur Schau zu stellen, aber mach es nicht, indem du dir damit Feminismus auf die Titten schreibst. 

Nur weil sich junge Mädchen jetzt selbstbewusst „Fotze“ oder „Bitch“ sagen und dabei lachen, heisst nicht automatisch, dass du etwas für Frauen oder Frauenrechte tust. Es ist vielleicht nur ein aufpimpen in Pink, wirkt wie ein Machtgewinn, aber am Ende verkauft Fotzen-Rap nur mehr, weil er einer patriarchalen Logik folgt:

Sex sells. Still.

Ich verstehe den Gedanken dabei, sich das Wort Fotze zurückzuerobern und es als Anspielung auf die sexistischen Texte im Rap zu verwenden. SXTN hat damit angefangen und sich dadurch in der Szene etabliert und tausende von Frauen zu Rap bekehrt. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es genau diese Provokation war, die sie so weit gebracht hat. Das sie gehört wurden, Aufmerksamkeit bekamen und die Männer mit den Zügeln in der Hand das Potenzial und die Euroscheine sahen. SXTN hat mit „Fotzen im Club“ Deutschrap aufgemischt. Fair enough. Aber ist es wirklich cool?

Wer darf Fotze sagen?

Ich selber würde mich nicht als Fotze betiteln, weil ich das Wort nicht mag. Und ich verlasse einen Mann, wenn er mich als Fotze beschimpft. Würde ich das „Fotze“ positiv und als Ausdruck der Selbstermächtigung besetzen, würde ich dann in einer Beziehung bleiben, in der mich mein Mann als Fotze betitelt? Wäre das die emanzipierte Lösung? Für mich ist und bleibt Fotze ein Wort, das von Männern gegenüber Frauen beleidigend ist. Und auch von einer Frau gesagt, wäre es für mich eine Beschimpfung. Ganz egal, ob damit nur ein weiblicher Mund oder Muttermund gemeint ist.

Provokation ist nicht gleich Revolution. 

Der „neue Feminismus“  inszeniert sich in denselben Strukturen, gegen die er „angeblich“ antritt. In der kommerziellen Musikindustrie scheint es keine Wege zu geben, in denen Stärke nicht länger über Verkaufzahlen definiert wird, sondern über das, was sich eben nicht kapitalisieren lässt. Bis dahin bleibt Fotzen-Rap meistens genau das, was sie kritisieren will: ein Spiegelbild der maskulinen Rapszene – nur halt mit vermeintlich emanzipierten Fotzen. 

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