In meiner Familie tranken Frauen immer gern Schnaps und Hochprozentiges. Wenn sie tranken – dann genussvoll, fast schon zeremoniell. Meine Großmutter stand vor allem auf guten Cognac. Meine andere Oma, trank selbstgebrannte Obstler. Sie genoss den feinen Cognac, den sie sich selbst jedoch nie leisten konnte. In dem Haus meiner Eltern kümmert sich mein Vater um Wein und Bier, meine Mama um den Schnapsschrank. Ich bin dem Mezcal verfallen.
Alkohol, Frauen und Familientradition
Hört sich erstmal ziemlich nach Alkoholiker Familie an, aber soweit ich mich mit Sucht beschäftigt habe, ist das nicht der Fall. Wobei… Es hat eben Tradition, auch bei uns auf dem deutschen Land, zu trinken und Schnaps zu brennen. Das ist ganz selbst erklärend, denn wer Obstbäume hat, der muss diese auch verarbeiten. Anfangs wird Zwetschgendatschi und Apfelkuchen gebacken. Abends wird frisches Obst aufgeschnitten. Doch weil das Obst sich nicht lange hält, wird es eingemacht. Eingekocht als Marmelade, eingelegt als Eingemachtes, und fermentiert und weiter zu Obstbrand verarbeitet. Aus dem Fallobst wie Äpfel, machte mein Opa Apfelmoscht.
2017 starb meine geliebte Großmutter, mit der ich zusammen in einem Haus lebte. Jeden Abend stellte ich einen kleinen Mezcalito auf den Altar und stoß mit ihr an. Sie war eine ganz aussergewöhnliche Frau gewesen. Lange bevor sie ging, schenkte sie mir ein kleines Büchlein und sagte: Kind, ich weiß um deine heilenden Kräfte und ich möchte dir dieses Büchlein schenken, dass mir auf meiner Mexikoreise im Jahr 1982 ein Dorfheiler gegeben hat.“ Mir fielen schon damals die Zeichnungen von Agaven auf und es verwies auf die heilenden Kräfte der Maguey.
Den Mezcal, den ich abends zu mir nahm, entwickelte eine komische Neugierde. Und löste etwas wie Kreativität in mir. Meine Musikerinseele war so pergamentartig, dass ich dachte, Taigastyle Rap könnte nie wieder aus mir fliessen. Aus der tiefen Depression entstand das Motiv von erneuter Motivation. Über diese Phase in meinem Leben, kann ich nicht behaupten, dass sie nicht Alkoholikerinnen-Züge aufwies. Es ging mir wirklich sehr schlecht. Aber ich fand, wenn auch mit zu viel Schnaps, einen Anreiz, wieder aktiv zu werden.
Über zu viel Mezcal finde ich zurück zu meiner Lebenskraft
Also mache ich mich auf, die deutsche Mezcalszene zu durchforsten, um Kontakt aufzunehmen in die Branche. Auffallend ist, dass es ausschliesslich Männer sind, von denen mir zunächst keiner antwortet. Bar-Touren durch München City, um herauszufinden, welcher Mezcal angeboten wird, und wer die Lieferanten sind, hilft mir nicht weiter. Über die sozialen Medien schreibe ich die besagten Kontakte an, doch wirklich Auskunft bekomme ich nicht.
Obwohl Mezcal in anderen Ländern Europas immer mehr Zuwachs gewinnt, scheint der Markt bei uns in Deutschland auf´s erste mau und wenig relevant.
Let´s go y vamonos – Bar Convent
Ich fahre kurz entschlossen nach Berlin auf die Bar Convent, um Axel Stein, den Geschäftsinhaber von mezcaleria.de zu treffen. Er weiß zwar, dass ich komme, denn er hat meine Nachrichten gelesen, aber konkreter ist er nie geworden. Also fahre ich nach Berlin in der Hoffnung, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Manchmal muss man einfach machen und das Risiko eingehen.
Warte nicht auf die Männer. Manches musst du als Frau einfach selbst in die Hand nehmen
Auf der Messe sehe ich mich etwas um. Spirituosen in stylischen Flaschen noch und nöcher. Sowas hab ich noch nie gesehen. Gin, Rum und Whisky sind am häufugsten vertreten. Dass der Hype seit einigen Jahren auf Gin liegt, ist wohl an keinem U40 vorbei gegangen. Whisky ist classy ever since und Rum bringt das Meer nach Deutschland. Fast wie auf einem Jahrmarkt geht es hier zu. Verkostung führt zu Trunkenheit und zwischen Verkaufsgesprächen, Feilschen, Werbemaßnahmen und Ellbogenmentality wird die Stimmung im 15-Minutentakt lauter und ausgelassener.
Ganz klar, die Spirituosenwelt ist Männerterrain.
Ich bin allein unterwegs, Blicke streifen mich. Gefühlt sind 90% der Besucher und Aussteller Männer. Ein Grund mehr für mich, mir das genauer anzusehen. Es gibt genau zwei Stände auf der Messe, die Mezcal haben. Einmal bei Axel Stein ( Berlin) und einmal bei Hans de Lang (München).
Wie ich zu Los Danzantes kam?!
An diesem Stand präsentieren Axel Kuhn aus Berlin und Victor Perez aus Mexico „San Alipus“ und „Los Danzantes“ Mezcal. Als ich mich an ihrem Stand niederlasse, werde ich zur Ansprechpartnerin für die Messebesucher, als sei ich Teil der Marke. Das wundert nicht, wenn man überlegt, dass ja fast alle Besucher Männer sind, und viele Stände, Hostessen engagiert haben, um sie anzuziehen.
Männer + Alkohol x Frauen = Verkaufssteigerung
Obwohl ich die Fragen nur weitergeben kann, gefällt Victor mein Enthusiasmus, als er merkt, dass ich mich als Markenbotschafterin gut schlage. Spontan und ehrlich lädt er mich nach Oaxaca ein, um den Mezcal und sein Umfeld kennen zu lernen. Denn Mezcal ist weit mehr als nur ein Getränk, mit dem man sich auch gut betrinken kann.
Ich frage ihn, ob er Frauen in der Branche kennt und er sagt mir, dass sein Mezcal aus der Produktion einer Frau stammt.
Nur fünf Monate später stehe ich in der Destillerie von Los Danzantes in Oaxaca.
Mezcal ist sexy und en Vogue
In der Hochburg des Mezcals – in Matatlan lerne ich endlich die Frau kennen, die hinter der Produktion steht – Karina Abad. Mit einer ersten Skepsis begrüßt sie mich. Das ist typisch für die Frauen in Mexico, speziell hier im Bundesstaat Oaxaca. Ihr mich-auschecken kenne ich nur zu gut und ich gestehe es ihr zu. Schliesslich bin ich eine weisse, deutsche Frau und stehe in ihrer Palenque.
Karina Abad ist die Produktionschefin von Los Danzantes und zuständig für den gesamten Herstellungsprozess. Sie überwacht sämtliche Schritte der Produktion und ist der direkte Kontakt zu den Bauern und ihren Familien.
Auf meine Frage, ob die Agave weiblich ist, antwortet sie mir „Sie hat eine Dualität. Alle sprechen von Mayahuel, der Göttin der Agave.“ Obwohl „el Maguey“ (Die Agave) im spanischem männlich ist, so ist die Pflanze in ihrer Essenz weiblich. Sowohl Karina als auch Victor bestätigen mir meine Annahme. Und ich steige einen Schritt tiefer in die Mystik ein.
Die Agave ist weiblich. Sie hat eine Dualität. Alle sprechen von Mayahuel.
Weil ihr Spirit weiblich ist und der Agave eine Göttin innewohnt, die verehrt und geachtet wird, macht die Sache umso interessanter, weil hauptsächlich Männer mit ihr in Berührung kommen. Die Rolle der Frauen im Mezcalsektor ist kaum präsent. Bis heute übernehmen die Männer die Hauptfunktion.
Frauen dürfen das Essen bringen, aber sollen dann wieder gehen.
Frauen sind bei dem Produktionsvorgang nicht willkommen. Es heißt, dass ihre Energie den Schnaps verunreinigt. Ein böses Auge könnte den Schnaps verunreinigen. Das liegt daran, dass nach wie vor die weit verbreitete Meinung herrscht, dass Frauen aufgrund ihrer Menstruation, der Schwangerschaft und durch die weiblichen Zyklen unrein sind. Ausserdem wird den Frauen Hexerei nachgesagt. Was die Mezcalbrauerei angeht, dürfen Frauen meist nur das Essen bringen und müssen dann die Brennstätten wider verlassen.
Es gibt nicht mehr genügend Männer auf dem Land, deswegen werden mehr Frauen in den Prozess miteinbezogen
Langsam verändert sich etwas in den Köpfen der Menschen. Dadurch, dass viele Männer aus den ländlichen Gebieten in die USA auswandern, um dort einen besseren Job zu bekommen und Dollar zu verdienen, reichen die Arbeiter auf den Feldern nicht aus. Viele der Männer kommen nicht mehr zurück, oder sie kommen zurück, um den Weg in den Norden erneut zu versuchen. Es gibt schlichtweg zu wenig Männer in den Gemeinden auf dem Land. Deswegen müssen die Frauen mehr Arbeiten übernehmen, und sich auch um die Agaven kümmern. Mittlerweile gibt es immer mehr Frauen, die sich einen Platz in der Produktion erkämpft haben.
Als Carina das erste Mal bei einer Ofenaufdeckung dabei war, weigerten sich die Männer weiter zu arbeiten.
Es war ein langer Weg, den Carina beschreiten musste, um heute hier zu stehen und ernst genommen zu werden. Immer noch erfährt sie Ablehnung, Kritik und böse Sprüche. Aber Karinas Liebe zum Mezcal ist stärker. „Ich bin gekommen, um zu arbeiten und ich werde nicht gehen“, sagt sie klar.
Mezcal als Lover für Frauen
„Ich bin mit Mezcal verheiratet- irgendwie komm ich immer wieder zu ihm zurück.“ Ist er also der beste Liebhaber, frage ich sie „ja, das ist er.“ Und ich weiß ganz genau, was sie damit meint.
2 Gedanken zu “Frauen, Schnaps und Männerterrrain”